Komfortzonen-Alarm

Komfortzonen-Alarm

Komfortzone – das Alarmwort für mich. Ich kann dieses Wort „Komfortzone“ nämlich nicht mehr hören.

Es bereitet mir, vielleicht auch dir und anderen (wahrscheinlich nicht nur Fatigue-Betroffenen) ein schlechtes Gewissen, ein schlechtes Gefühl. Bin ich nicht gut genug, wenn ich innerhalb meiner Komfortzone bleibe? Muss ich aus dem Sicherheitsbereich heraus, nur weil es „in“ ist?

Ich kann ja wie immer nur aus meiner persönlichen Sicht schreiben, deswegen nimm es mir nicht übel, wenn es bei dir anders ist.

„Du musst dies tun… Du musst jenes lassen… Du musst dich weiterentwickeln… Du musst… nur außerhalb deiner Komfortzone bist du wertvoll“ `n Scheiß muss ich!

Ja, ich fühle mich in meiner Komfortzone, meinem Seelenbereich, meinen ausgetretenen Pfaden sehr, sehr wohl.

Ich will es nicht unbequem, ich brauche keine Transformation von a auf x.
Es reicht mir, wenn ich mich täglich irgendwie verändere, ich lerne immer dazu, ich passe mich an, obwohl ich mich manchmal nicht anpassen will…Das ist das Leben. Nur ich allein bin dafür verantwortlich und kümmere mich um mich. Und wenn ich mich außerhalb der Komfortzone unwohl fühle, dann können mich diese Aufforderungen mal was auch immer.

Okay, ich gebe zu, dass mein heutige Wohlfühlzone auch deutlich kleiner ist als früher. Aber es gibt immer noch Bereiche, die so groß sind wie vor meiner Erkrankung. Meine neue Komfortzone ist irgendwie „ausgebeult„.

Zu anstrengend oder selbstbewusst genug?

Ich habe nicht mehr das Bedürfnis nach höher, schneller, weiter oder nach Selbstverwirklichung oder Optimierung. Mag daran liegen, dass ich meinen Wert kenne und meiner Selbst bewusst bin. Ich muss mich nicht mit anderen messen, vergleichen sowieso nicht.

Das habe ich anfangs nach dem Ende der Akuttherapie gemacht, als ich dachte, dass ich wieder die alte werde und so weitermachen kann wie vorher. Dann habe ich auch öfters gedacht, dass ich mit Anfang 40 jung genug bin, um volle Kanne nach der Krebserkrankung wieder aufzudrehen. Deshalb habe ich mit vollem Einsatz eine Weiterbildung absolviert – ohne Rücksicht auf mich. Dann habe ich mir wieder einen Vollzeitjob gesucht. Ohne auf meinen Körper und meine Psyche zu hören. Denn ich bin ja noch jung, das wird schon passen. Hätte klappen können, hatte ich keinen Einfluss drauf, dass die Fatigue mich weiter begleiten möchte. Und meine Einstellung von damals hätte mir fast das sprichwörtliche Genick gebrochen, wenn ich nicht irgendwann auf mich, meinen Geist, mein Bauchgefühl und meinen Körper gehört hätte.

Vergleiche sind immer Äpfel mit Birnen

Ich habe mich sogar mit mir selbst verglichen – nicht unbedingt eine super Idee. Heute weiß ich, dass ich auch nicht immer ein besser werden muss als ich es gestern war. Denn wenn ich heute einen 1A-Tag habe und morgen eben nicht, heißt das noch lange nicht, dass ich morgen ein schlechterer Mensch bin.

Erst langsam dämmerte es mir, dass da wohl etwas nicht so easy-peasy läuft, wie ich es mir gedacht hatte. Die Erschöpfung, die zu Anfang noch „normal“ war, war plötzlich nervig, nicht gewollt und musste weg…Der Kampf hatte begonnen. Und kämpfen kostet Kraft und Energie, die ich nicht hatte. Unmöglich das so auf diese Weise zu gewinnen. Eine Strategieänderung durfte gefunden werden.

Mittlerweile weiß ich (so langsam) – auch dank meiner tollen Frauen-Gruppe, die ich im Selbstliebe-Kurs bei Melanie Pignitter kennenlernen durfte – dass ich mich vollkommen annehmen darf. Ich bin dabei, mich neu zu definieren. Denn so wie es mal war, wird es nicht wieder sein – auch nicht, wenn ich das mit aller Gewalt will. Ich betrachte mich mit Wohlwollen. Ich darf endlich so sein, wie ich jetzt bin! Ich bin genug! Ich bin genau richtig! Ich darf mein Leben mit allen meinen Einschränkungen genießen.

Apropos Einschränkungen – ich suche hier noch ein anderes Wort dafür. Denn damit schränke ich mich selbst ein – du verstehst, was ich meine…

Und dann kommt wieder der Optimierungswahnsinn und das Komfortzonen-Gespenst ins Spiel.

Nein, verdammt – ich will mich weder verbiegen, noch optimieren, noch meine Komfortzone verlassen. Ich kann auch innerhalb meiner bequemen Sicherheitszone wachsen und das jeden Tag. Ich checke morgens, wie es mir geht. Und wenn es mein Körper und mein Hirn zulassen, dann kann ich mir ein bisschen was vornehmen. Vielleicht nur die Hälfte von dem, was ich früher gemacht hätte. Jetzt ist jetzt und nicht früher, also kümmere ich mich um das, was jetzt geht und was mir heute Spaß macht. Wenn es keinen Spaß macht, dann sorge ich dafür, dass ich zumindest keine schlechte Laune davon bekomme, indem ich meine Betrachtungsweise ändere.

Spannend in diesem Zusammenhang ist übrigens, dass ich das anderen Frauen gut erklären und beschreiben kann. Wenn ich über meine eigene Situation sprechen, mache ich mich selbst kleiner als ich bin und komme mit Gestammel und anderen unnötigen Selbstzweifeln daher.

Damit ist jetzt Schluss. Ich besinne mich auf das, was geht. Und wenn das nicht zu meinen früheren Ansprüchen und Erwartungen passt, dann darf ich diese auf meine aktuelle Situation anpassen. Ich bin schließlich die Bestimmerin über mein Leben und eine Gewinnerin. Ich habe nicht den Kampf gegen die Fatigue gewonnen, sondern ich habe mein neues Leben gewonnen!

Zurück zur ach so tollen Optimierungspropaganda und Komfortzonenhype.

Gestellte Fotos, penibel retuschiert, damit Ü50 auch ja keine Fältchen hat. Oder Abnehmchallenge – 5 kg in 2 Stündchen verlieren (übertrieben geschrieben). Ich frage mich dann, wofür noch mal? Wenn die Damen der Seiten eh schon klapperdürr sind? Gehypte Trendsportarten – nur so wirst du fit! Oder auch ganz schlimm für mich „Besiege deine Erschöpfung mit Walgesängen“ also so in der Art. „Diese Ernährungsform soundso ist richtig“, sagen die einen. „Nein, ernähre dich nur und ausschließlich so“, sagen die anderen. Ganz perfide sind die, die dann noch versprechen, „wenn du dasunddas isst, kannst du deinen Krebs heilen“ (etwas mildere Vertreter sagen „vorbeugen“).

Launen dürfen sein

Und auch die Laune muss nicht ständig optimiert werden. Niemand hat mir verdammt nochmal vorzuschreiben, dass ich meine blöde Laune durch überkandiedelte Affirmationen, die ich mir selbst nicht glaube, oder andere „magische Methoden“ in gute Laune umwandeln muss. Nein, im Gegenteil, es darf mir auch mal doof gehen. Ich darf auch mal schlechte Laune haben. Und ich darf mir dessen bewusst sein. Bitte verstehe mich nicht falsch. Ich habe selbst am liebsten gute Laune. Es braucht doch nicht über toxische Positivität alles immer superduperoberaffengeil sein.

Es tut nicht gut, seine Emotionen zu unterdrücken. Es ist vor allem super anstrengend, unerwünschte Gefühle herunterzudrücken. Denk mal an einen großen, prallgefüllten Wasserball, den du mit einer Hand ständig unter Wasser drücken musst. Bis du nicht mehr kannst und dann schießt der Wasserball mit voller Wucht nach oben und dann ist es viel, viel schlimmer, wenn man das Bild auf die Emotionen überträgt.

Was anderen passt, passt mir nicht und umgekehrt

Ich muss nicht um 5 Uhr aufstehen – wenn ich lieber bis um 8 Uhr im Bett liege, weil ich so meinem Körper noch Pause schenke. Oder 2 Stunden meditieren, wenn ich lieber lesen würde, weil nur entweder oder klappt. Oder Journaling mache, wenn mir das einfach nicht liegt. Oder Zitronenwasser trinken, weil ich das eklig finde. Und so weiter und so fort etc.pp.

Das alles MUSS ich nicht tun, um eine wertvolle Person zu sein. Ja, natürlich, ich kann und darf, wenn ich das möchte. Es mir von anderen vorschreiben zu lassen, die mich wahrscheinlich nicht mal im Ansatz kennen, nur weil sie 6k-Follower haben und sich Influencer nennen, das ist der falsche Weg.

Jetzt kennst du meine Ansicht zum Thema „Komfortzone“. Wenn du meine Ansicht teilst, freue ich mich sehr über einen Kommentar. Wenn du nicht meiner Ansicht bist, darfst du mir natürlich auch gerne schreiben. Das ist ja das Schöne an uns Menschen und am Leben. Jeder darf seine Meinung haben – und in unserem Kulturkreis auch glücklicherweise äußern.

Zum Abschluss habe ich noch ein nettes Zitat von Carl Rogers
The curious paradox is that when I accept myself just as I am, then I can change.
Das merkwürdige Paradoxon besteht darin, dass ich mich ändere, wenn ich mich so akzeptiere, wie ich bin.

Daniela Schillmöller - Glückspraktikerin

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2 Comments

  1. Liebe Daniela,
    vielen Dank für deinen ehrlichen Artikel. Ich stimme dir in allem zu, verbinde das aber nicht damit, dass diese Dinge, die du aufzählst und gegen die du dich wehrst einhergehen mit einem Verlassen der Komfortzone.
    Ich bin eine starke Vertreterin dessen, nicht jedem Hype hinterherzulaufen, sich nicht zu verbiegen, sondern authentisch zu sein und genauso zu leben, wie es mir gefällt. Wenn es mir mit meinen Lebensumständen gut geht, gibt es keinen Grund diese zu verändern. PUNKT!
    Vieles von dem, was du aufzählst, sind Vorschläge, was man tun kann, wenn man sich NICHT wohlfühlt in seinem Leben, unglücklich ist, gestresst, sich im Hamsterrad befindet, nicht mehr weiß, was man überhaupt möchte.
    Wenn ich dann etwas verändern möchte an meinen Lebensumständen, die mich unglücklich machen, dann geht das in der Regel nicht ohne meine Komfortzone zu verlassen. Immer wenn ich etwas zum ersten Mal mache, muss ich (auch für kleine Dinge) raus aus meiner Komfortzone. Wenn ich unglücklich bin, sollte ich mich nicht darin einrichten und weiter jammern, so nach dem Motto: Lieber ein Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach.
    Da wir uns alle in dieser Coachingblase bewegen, liegt es auf der Hand, dass uns diese Aufforderung an jeder Ecke begegnet.
    Liebe Grüße
    Heidrun

    • Danke, liebe Heidrun für deinen Kommentar.
      Für mich klingt der Aufruf, die Komfortzone zu verlassen, immer eher nach dem Motto „du kannst nur glücklich sein, wenn du aus der Komfortzone rauskommst, weil nur so Wachstum möglich ist “
      Ich will gar nicht so wachsen wie die Influencer etc das immer für nötig erachten.😉
      Möglicherweise verstehen wir auch etwas Unterschiedliches unter dem Begriff 🤷🏼‍♀️ Hauptsächlich geht es mir um den ständig geforderten Aktionismus und das „du MUSST“
      Für mich ist es tatsächlich auch nicht unbedingt immer, dass ich die Komfortzone verlasse, wenn ich etwas zum ersten Mal mache. Vielleicht wäge ich ab und schaue, ob es bereits ähnliche Situationen gab, die dann ein Verlassen der Safezone gar nicht nötig machen.
      Ich gebe dir recht, dass man sich bewegen darf, um etwas zu verändern, was nicht mehr passt oder man unzufrieden ist. Wäre auch nicht unbedingt ein Ausbruch aus der K-Zone in meinen Augen – vielleicht weil meine persönliche Zone so ausgebeulten ist 😂.
      Meine Beispiel zielten eher in Richtung Optimierungswahn – das ist ein bisschen verknüpft und vermischt worden.
      Und ich muss mir nicht sagen lassen, dass ich nicht bequem leben darf. Mein Leben mit der Erkrankung ist schon unbequem genug 🙈
      Wie gesagt, dieses ständige Herunterbeten, man „muss“ die Komfortzone um jeden Preis verlassen – das nervt mich total an. Vor allem in meiner Situation, da bleibe ich aus Gründen lieber in meinem ausgebeulten Wohlfühlbereich.
      Liebe Grüße

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